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Plakatmotiv: eXistenZ (1999)

Ein wilder Ritt
durch die Phantasie

Titel eXistenZ
(eXistenZ)
Drehbuch David Cronenberg
Regie David Cronenberg, Kanada, UK 1999
Darsteller

Jennifer Jason Leigh, Jude Law, Ian Holm, Willem Dafoe, Don McKellar, Callum Keith Rennie, Christopher Eccleston, Sarah Polley, Robert A. Silverman, Oscar Hsu, Kris Lemche, Vik Sahay, Kirsten Johnson, James Kirchner, Balázs Koós u.a.

Genre Horror, Science Fiction
Filmlänge 97 Minuten
Deutschlandstart
18. November 1999
Inhalt
Spiel es! Lebe es! Töte für es!

Allegra Geller, Top-Spieldesignerin der Firma Antenna Research, hat ein neues Computerspiel erfunden: "eXistenZ" ist eine virtuelle Reise in das Reich der Psyche. Ein Quantensprung jenseits all dessen, was wir uns je vorstellten.

Die Auswirkungen sind einschneidend. Ängste und Begierden des Anwenders werden multipliziert, bis sich die Grenzen der Realität verwischen und der Flucht in eine Fantasiewelt die Tür geöffnet ist. Was "eXistenZ" jene intensive Realität verschafft, ist die Tatsache, dass das Herzstück des Spiels einem lebenden Organ nachempfunden ist, welches direkt an jedes Spielers Nervensystem angeschlossen wird.

Das Herzstück, die Schale, hat Zugang zu Deinen Erinnerungen, Deinen Ängsten. Deinen Alpträumen – das heißt: es hängt von jedem Spieler einzeln ab, welche Richtung das Spiel einschlägt.

Als Allegra und ihr Team das neue Spiel bei einer Präsentation vorstellen wollen, wird sie von einem Attentäter angegriffen. Ein "Anti-eXistenZialist" feuert eine seltsame Waffe − eine organische Verbindung aus Knochen und Knorpel, Munition: Zähne.

Allegra muss vor den Fanatikern flüchten, die ihr Spiel sabotieren und sie umbringen wollen. Ihr einziger Verbündeter ist Ted Pikul, ihr unerfahrener Leibwächter. Allegra überredet ihn, gemeinsam mit ihr das Spiel zu testen und zieht ihn mit sich in eine trügerische Welt, in der die Realität aufhört zu existieren und "eXistenZ" beginnt.

Je tiefer sie vordringen, desto enger zieht sich das Netz der Anti-eXistenZialisten …

Was zu sagen wäre

David Cronenberg spinnt die Idee des Computerspiels konsequent zu Ende. Was wollen die Spiele? Sie wollen Ablenkung, Spaß, weg aus dem verregneten Alltag und rein in das spannende Leben eines Forschers, Archäologen, Geheimagenten, Killers. Also setzen wir uns vor Bildschirme, halten einen "Controller" in der Hand und steuern Figuren, Autos, Raumschiffe auf dem Screen vor uns. Bei Cronenberg ist die Spieleindustrie ein paar Schritte weiter. Das jeweilige Spiel wird quasi implantiert und dann spielt der ganze Körper. Und der ganze Geist. Hierin liegt der Reiz des Films. Und sein Schrecken.

Wie weit wollen wir uns eigentlich ablenken lassen? Allegra und ihr tapsiger Bodyguard, der eigentlich ein PR-Mensch in Ausbildung ist, klinken sich auf der Flucht vor dem Killer an ihre Neuentwicklung "eXistenZ“. Die Erklärung dafür lautet, weil das Spiel sonst unrettbar verloren ist, Hunderte Millionen Dollar Schaden, fünf Jahre Arbeit zum Teufel. Als Zuschauer muss man das nicht verstehen. Man wird noch einiges nicht verstehen in dieser immer wirrer werdenden Filmwelt, die nicht eine Spielwelt ist, sondern drei. Mindestens. Diese Welten werden zunehmend surrealer und bedrückender. Plötzlich steht Ted plötzlich einem Fließband in einer Aufzuchtstation für mutierte Amphibien, wo er Riesenfrösche aufschneidet und ausnimmt. Er will das nicht, aber das Spiel kontrolliert die Handlungen seines virtuellen Körpers, um „die Handlung voranzutreiben“, sagt Allegra. Für uns im Kinosessel spielt Cronenberg (Naked Lunch – 1991; "Die Unzertrennlichen" – 1988; Die Fliege – 1986; Dead Zone – 1983; "Videodrome" – 1983) ein phantastisches Vexierspiel. Plakatmotiv (US): eXistenZ (1999) Wir ahnen mehr, als wir wissen. Unmerklich mäandert die Handlung in absurde Höhen, wie wir das aus den eigenen Spielenachmittagen kennen. Das heißt aber nicht, dass wir hier also nur zwei Leuten beim Spielen zuschauen und also keinen Spannung haben. Spätestens, als sich Tee aus Essenszeiten in einem chinesischen Restaurant die organische Waffe baut, mit der Allegra zu Filmbeginn angeschossen wurde und damit gegen seinen Willen einen Kellner erschießt, ist klar: Wir wissen nicht, wo sie, wo wir sind.

Es ist der Traum der Spieleindustrie, ihre Kundschaft so tief ins Spiel zu holen, dass sie nie wieder raus will, bis ein neues Spiel kommt. Mensch und Konsole haben sich im Film schon einander angeglichen. Beide sind organisch, verbunden durch ein an eine Nabelschnur erinnerndes Kabel. Mensch und Maschine, Spiel und Realität verschwimmen zu einem eigenen Universum. Cronenberg spielt wunderbar mit den Ebenen, zieht Kreise zurück zu Personen, die eben noch in einer anderen Haut steckten oder auch tot waren, hält die Zuschauer gedanklich auf Trab und mit der Frage allein, welche Ebene er zum Abspann abblendet. „Wir sind doch noch im Spiel. Oder?“, fragt ein verängstigter Mann, dem eine Pistole ins Gesicht gehalten wird. Der Film lässt die Antwort offen. Abspann.

Auf der Reise durch die verschiedenen Ebenen flirtet Cronenberg mit seinen fleischlichen, blutigen Gelüsten. Einmal wird die Spielekonsole aufgeschnitten und seziert, da besteht sie aus Gewebe, Knochen, mutierten Zellen und viel Blut. Es laufen doppelköpfige Krabbeltiere über Motorhauben, die später angerichtet auf dem Teller eines Restaurants landen. Immer wieder fingert jemand in dem Bioport eines anderen herum, was einer sexuellen Handlung nicht unähnlich ist. Mit der Realitätsverschiebung spielt die Science Fiction und also auch das Kino gerne; sehr prominent in den Philip-K.-Dick-Verfilmungen Blade Runner und Total Recall und gerade erst in Matrix. Diese Filme stellen die Frage, wo die Realität tatsächlich aufhört. Ist die Spielekonsole mit "eXistenZ" darauf nicht eine frühe Vorstufe zu der gigantischen KI in "Matrix"? Ist nicht jeder sensorische Input, egal ob über AugeNaseMund oder über eine Spielekonsole immer noch ein sensorischer Input? Ist nicht jedes Gefühl ein reales Gefühl? Und somit Realität?

Wertung: 8 von 11 D-Mark
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