Ein Mann fährt morgens im Auto los, um Geschäftliches zu erledigen. Er lässt daheim eine nörgelnde Ehefrau zurück. Ihn erwartet ein Gesprächspartner, der am nächsten Tag in Urlaub fährt und es eilig hat.
Alles scheint alltäglich. Bis auf den Lkw vielleicht..?
Auf seiner Tour wird der Geschäftsmann in seinem Auto von einem Lastwagen verfolgt, der ihn offensichtlich vernichten will: Er versperrt ihm die Fahrbahn und will ihn in den Abgrund drängen …
Eben noch denkst Du an nichts Böses. Und im nächsten Moment steckst Du in der Scheiße. Diese Erkenntnis überfällt unseren Jedermann, der in Steven Spielbergs Filmdebut David Mann heißt, in einer Fernfahrerkneipe. Er ist unterwegs zu einem Kunden. Eigentlich. Scheint ein anstrengender Termin zu werden, das deutet sich einmal kurz an. Auch der Abend scheint anstrengend zu werden, die Mutter hat sich angesagt, die Ehefrau ist schlechter Laune. Und im Radio läuft der übliche Unsinn, Männer, die den Haushalt machen, während die Frau arbeiten geht und Geld verdient, die aber den Nachbarn den Haushaltsvorstand vorgaukeln müssen, gefangen in einer 25 Jahre andauernden Ehe, die schon nach einem halben Jahr die Hölle gewesen scheint; solche Probleme werden im Radio besprochen. Weltprobleme.
Und sie spielen alle von jetzt auf gleich keine Rolle mehr. Plötzlich bist Du mit Deinem Problem ganz alleine. Du hast doch nur einen Truck überholt. Der hat dann Dich wieder überholt. Und Dich ausgebremst? Und jetzt jagt Dich der Truck. Warum? Kein spezifischer Grund. Er jagt Dich. Spielberg zeigt exemplarisch, dass der Schrecken, der ohne Erklärung bleibt, der größere Schrecken ist. Es ist ein Horrorfilm. Im grellen Schein der kalifornischen Sonne. In dem ein schwarzer, rußender Truck das fauchende Monster ist. Und ein Handelsvertreter im roten Plymouth Valiant das zufällig Opfer. Hilfe ist nicht zu erwarten. Auch nicht bei den Menschen, die er unterwegs trifft. Wie soll man das erklären: Da ist ein Truck, der mich umbringen will? Spielberg greift hier gerne die Anregung des großen Alfred Hitchcock auf, der im Unsichtbaren Dritten gezeigt hat, dass es für Schrecken keine verwinkelten Treppenaufgänge, knarzende Türen und Dunkelheit braucht. Damals rannte Cary Grant in einem Maisfeld bei strahlendem Sonnenschein um sein Leben. Spielberg lässt einen Handelsvertreter um sein Leben fahren – damals gegen ein anonymes Flugzeug, heute ein anonymer Truck.
Anfangs verfällt Spielbergs Protagonist immer noch mal wieder in gemächliches Tempo, bis der Truck plötzlich wieder auftaucht, der zwischenzeitlich zu einer Einbildung des Handelsvertreters geronnen schien. Spielberg bleibt da mit der hinter David Manns Plymouth Valiant angebrachten, nach hinten blickenden Kamera nah am Boden und lässt dann den schwarzen Peterbild-Truck auf die Kamera zufahren. Das verleiht dem Bild ohne irgendwelche teuren Sperenzchen große Dynamik. Häufige Schnitte erhöhen das Tempo, die Blickwinkel wechseln rasend. Exzessiver Einsatz des Teleobjektivs verengt das Blickfeld, lässt den Truck hinter dem Plymouth gigantisch erscheinen. Spielberg inszeniert sehr effizient. Gesprochen wird nicht viel.
Als es losgeht, sitzen wir mit der Kamera noch auf der Stoßstange des Plymouth, schauen dem Verkehr beim fließen zu, verlassen die Straßen der Vorstadt, rollen durch eine anonyme Stadt. Dann werden die Stra0ßen einsamer, leerer. Im Radio der erwähnte Mix aus Nachrichten, Wetter und Männern mit Ego-Problemen. Spielberg hat die Dialogzeilen auf knapp 40 reduziert, und auch die hat er nur auf Anraten der Produzenten stehen gelassen. Er selbst hätte am liebsten ganz ohne Dialog gedreht.
Zu reden gibt es in der Tat nicht viel. Mit einem Lkw lässt sich schwer argumentieren. Und vom Fahrer sehen wir mal den linken Arm, mal die rechte Hand oder seine Boots. Dass er böse Absichten hegt, ist klar, als er auf einer engen Serpentine den Handelsvertreter erstmals signalisiert, ihn zu überholen, just, als ein Auto entgegenkommt. Der Fahrer bleibt ohne Gesicht. Er personifiziert sozusagen die anonyme Arbeiterschaft, die an rußigen, stickigen Arbeitsplätzen die Bosse vorbei lassen soll und sich jetzt erhebt gegen das Kapital, das ein blaues Hemd trägt und ein schickes Auto fährt – und sich einmal wundert, wieso der Diesel getriebene Lkw „so schnell“ fahren kann. Wie kann das sein? Dass der Arbeiter schneller ist als der Boss?
"Duel" war die Eintrittskarte für Steven Spielberg an die großen Fleischtöpfe der Universal-Studios. Im Grunde ist Spielberg der Plymouth-Fahrer, der die Studio-Gewaltigen mit simplem Handwerk überrollt und von seinem Gespür für Timing überzeugt. Spätere Spielberg-Filme sind runder, handwerklich sauberer – aber hier dreht Spielberg um sein Lebe. Ein wildes Meisterwerk.
Nachdem er seine handwerklichen Grundkenntnisse durch Arbeiten an verschiedenen Serien, "Columbo" etwa, verfeinert hatte, wurde die Lkw-Jagd sein erster Feature-Film.
Das Drehbuch wurde von Richard Matheson geschrieben, der zuvor die Kurzgeschichte dazu im Magazin Playboy veröffentlicht hatte. Die Geschichte entstand nach einer wahren Begebenheit, in der Matheson von einem Truck gejagt wurde, als er auf dem Weg nach Hause von einem Golfspiel mit dem Schriftsteller Jerry Sohl war.
"Duell" wurde ursprünglich als Fernsehfilm für den amerikanischen Sender ABC auf 16-mm-Film produziert und am 13. November 1971 ausgestrahlt, kam aber wegen des großen Erfolgs 1973 in die Kinos. Er wurde dazu im Blow-Up-Verfahren auf 35-mm-Kinofilm kopiert. Die ursprünglich 74-minütige Fernsehfassung wurde mit nachgedrehten Szenen auf einen 90-minütigen Spielfilm erweitert. So wurden das Telefonat zwischen David Mann und seiner Ehefrau, die Szene am Bahnübergang, als der Truck den Wagen in einen die Straße querenden Zug zu schieben versucht, und die Begegnung mit dem Schulbus in zwei Drehtagen nachgedreht.
Der rote, untermotorisierte Plymouth Valiant wurde mit Bedacht ausgewählt. Während Spielberg die Art des Autos relativ gleichgültig war, legte er Wert darauf, dass die auffällige Farbe mit der hellen Umgebung der Wüstenstraße gut kontrastiert. Bei der Wahl des Lastwagens war Spielberg wählerischer. Die Wahl des Langhaubers Peterbilt 281 mit der geteilten Frontscheibe und den runden Scheinwerfern sollte dem Lkw ein Gesicht verleihen und damit Bedrohlichkeit vermitteln.
Dazu tragen auch die wie Trophäen an der Stoßstange angebrachten Nummernschilder aus anderen Bundesstaaten bei, die unterschwellig nahelegen, dass der Truckfahrer bereits andere Autofahrer gejagt und getötet hat. Das bedrohliche Äußere wird durch die optisch starke Abnutzung des Lastzuges, die Aufschrift Flammable (entflammbar), sein rostig-schmutziges Äußeres und das rußende Auspuffrohr verstärkt. Für die Dreharbeiten des Fernsehfilms stand nur ein Truck zur Verfügung, so dass die Schlussszene mit dem Absturz am Hang mit einem Dreh abgeschlossen sein musste. Für die zusätzlichen Szenen des Kinofilms wurden drei weitere ähnliche Laster erworben. Nur einer dieser in den Dreharbeiten verwendeten Tanklastzüge existiert heute noch.
Der Film wurde für etwa 450.000 US-Dollar produziert und spielte allein in Europa sechs Millionen Dollar ein.
Die Kino-Filme von Regisseur Steven Spielberg
- Duell – 1971
- Sugarland Express – 1974
- Der weiße Hai – 1975
- Unheimliche Begegnung der dritten Art – 1977
- 1941 – Wo bitte geht's nach Hollywood – 1979
- Jäger des verlorenen Schatzes – 1981
- E.T. – Der Außerirdische – 1982
- Indiana Jones und der Tempel des Todes – 1984
- Die Farbe Lila – 1985
- Das Reich der Sonne – 1987
- Indiana Jones und der letzte Kreuzzug – 1989
- Always – Der Feuerengel von Montana – 1989
- Hook – 1991
- Jurassic Park – 1993
- Schindlers Liste – 1993
- Vergessene Welt: Jurassic Park – 1997
- Amistad – Das Sklavenschiff – 1997
- Der Soldat James Ryan – 1998
- A.I.: Künstliche Intelligenz – 2001
- Minority Report – 2002
- Catch Me If You Can – 2002
- Terminal – 2004
- Krieg der Welten – 2005
- München – 2005
- Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels – 2008
- Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn – 2011
- Gefährten – 2011
- Lincoln – 2012
- Bridge of Spies – Der Unterhändler – 2015
- BFG – Big Friendly Giant – 2016
- Die Verlegerin – 2017
- Ready Player One – 2018
- West Side Story – 2021
- Die Fabelmans – 2022