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Kinoplakat: Die Akte Grant

Robert Redfords Vergangenheitsbewältigung:
interessant, aber kein großes Kinoerlebnis

Titel Die Akte Grant
(The Company You keep)
Drehbuch Lem Dobbs
nach einem Roman von Neil Gordon
Regie Robert Redford, Kanada 2012
Darsteller

Robert Redford, Shia LaBeouf, Julie Christie, Susan Sarandon, Nick Nolte, Chris Cooper, Terrence Howard, Stanley Tucci, Richard Jenkins, Anna Kendrick, Brendan Gleeson, Brit Marling, Sam Elliott, Stephen Root, Jackie Evancho u.a.

Genre Drama
Filmlänge 125 Minuten
Deutschlandstart
25. Juli 2013
Inhalt

Nach über 30 Jahren auf der Flucht lässt sich Sharon Solarz in Heatherton, New York vom FBI auf einer Tankstelle festnehmen. Sie gehörte den Weathermen an, einer studentischen Terrororganisation, die gegen den Vietnamkrieg und das System kämpfte. Seitdem die Weathermen bei einem Raubüberfall auf die Bank of Michigan den Wachmann Hugh Crosney töteten, waren sie auf der FBI-Liste der meistgesuchten Verbrecher.

Nun soll der Journalist Ben Shepard von der Albany Sun Times über den Fall berichten. Über Billy Cusimano kommt er auf den Anwalt Jim Grant. Der verneint jeden Kontakt zu Solarz und zeigt sich auch ansonsten wenig kooperativ. Aber Shepard lässt nicht locker, recherchiert weiter und entdeckt, dass Grant der ebenfalls flüchtige Weatherman Nick Sloan ist. Bevor er ihn damit konfrontieren kann, ist Sloan allerdings längst auf der Flucht.

Nach 30 Jahren geht das Leben für Grant plötzlich da weiter, wo es damals aufgehört hatte. Mit dem toten Wachmann hatte er gar nichts zu tun, aber wie soll er das beweisen – nach 30 Jahren? Längst hat er geheiratet, hat eine 12jährige Tochter, arbeitet als Anwalt, engagiert sich sozial. Und jetzt: Flucht. Seine einzige Chance wäre Mimi. Die Frau, die er damals geliebt hat. Mimi könnte die Wahrheit über den Banküberfall und den toten Wachmann sagen. Aber wo ist sie? Und wenn er sie findet: Wird sie für ihn aussagen? Hierfür stehen die Chancen schlecht …

Was zu sagen wäre

Eine wunderbar austarierte Geschichte über das Leben, darüber, wieviele Leben in eines passen – Mimi Lurie, Grants ehemalige Geliebte, zählt an einer Stelle ihr siebtes komplett gelebtes – eine Geschichte darüber, wie die Vergangenheit nie aufhört zu sein, wie sie immer da ist, zur Legende wird mit klaren Schwarz-Weiß-Schemata. Eine Geschichte, die an die Zwischentöne erinnert, die sich im Lauf der Dinge verlieren im Nebel der Zeit. Eine wunderbare Geschichte als Roman. Den Film braucht es nicht zwingend; Robert Redfords Motivation war eine andere und die existiert auf der Metaebene, hinter der Kamera. Blöderweise nicht im Bild.

Ein Blick zurück an eine Kreuzung im Leben

In einem Interview mit dem ZDF sagt Redford, in der bewegten Zeit der späten Sechziger und frühen Siebziger Jahre hätte er selbst einer dieser Weathermen sein können, aber er sei damals gerade Vater geworden und da waren ihm andere Dinge wichtig. Damit wird sein Film „The Company You keep“ ein später Gruß an die Aktivisten von damals – zumindest an den Teil, der nicht gemordet hat – eine Art Wiedergutmachung, eine nachträgliche Solidaritätsadresse, nachdem er in seinem anderen Leben, das sich rund um den Film dreht, so erfolgreich geworden ist?

Kinoplakat (US): The Company You keepEs ist deswegen noch kein schlechter Film. Er ist solide inszeniert. Redford verzichtet auf Kamera-Sperenzchen und Hochfrequenzmontage, lässt Cliff Martinez einen Soundtrack komponieren, der ähnlich unaufdringlich daher kommt, wie Martinez' Score in Steven Soderberghs ein Jahr zuvor entstandenem Thriller Contagion und versammelt einen erstaunlichen Cast – wenn Redford ruft, sagt keiner Nein, und wenn's nur für eine kleine Nebenrolle ist.

Hollywood verbietet es, älter zu werden

Sich selbst inszeniert er dabei erstaunlich phantasielos. Er präsentiert seine besten Manirismen aus 40 Jahren Redford-Kino – das Grübchen-Grinsen, den erstaunt-überraschten Blick; sein erster Auftritt im Film ist nahezu eins zu eins übernommen aus der Romantic-Comedy Staatsanwälte küsst man nicht (1986). auch damals hantierte Redford als Anwalt etwas unbeholfen vor dem Kühlschrank und versuchte, ein Gespräch mit seiner halbwüchsigen Tochter zu führen. Dass diese Filmtochter so alt ist, wie die Filmtochter vor 30 Jahren in „Legal Eagles“, Redfords Filmfigur heute aber 30 Jahre älter ist als Redfords Anwaltsfigur vor 30 Jahren – da heißt es an einer Stelle etwas einsilbig, er habe eine jüngere Frau kennengelernt – stört bei diesem sehr ruhigen Film – plötzlich fällt auf, dass Redford sich immer wieder sportlich und laufend in Szene setzt. Das ist ein bisschen viel Hollywood-Verpflichtung für einen Mann, der stets Wert darauf gelegt hat, unabhängig Filme zu produzieren. Aber vielleicht ist er auch diese Peinlichkeit nur eingegangen, weil er den Film unbedingt machen wollte?

Eigentlich gehört der Film ohnehin Shia LaBoef (Wall Street - Geld schläft nicht - 2010; Indiana Jones und das Königreich der Kristallschädel - 2008; Transformers - 2007). Er gibt den jungen Reporter als Gegenstück zu Redfords Idealen von einst – und damit übrigens auch zum Gegenstück von Redfords Watergate-Reporter Bob Woodward in Alan J. Pakulas Die Unbestechlichen (1976). LaBoefs Ben Shepard ist ziellos gerissen. Er ist ein Profi! Gut in seinem Job, aber ohne moralischen Background, ohne Message; er macht nur seinen Job „und dann updaten sie ihren facebook-status und haben alles wieder vergessen. Wir sind nur eine Geschichte, die ihnen erzählt wird“, monieren die alten Aktivisten, die einst das System aus den Angeln heben wollten, über die Jungen.

Ein sentimentaler Blick will Verständnis wecken

Redfords Film ist ein sentimentaler Blick in bewegte Zeiten – hierzulande RAF genannt, dort „Weathermen“. Er hat ein Anliegen, das er unters Volk bringen will, will Verständnis wecken. Sympathie für Mörder? Nein. Oder: Das kommt auf den Standpunkt an. Susan Sarandon, die in so einem Film nicht fehlen darf (Robot & Frank – 2012; Wall Street - Geld schläft nicht – 2010; Im Tal von Elah – 2007; Moonlight Mile – 2002; Überall, nur nicht hier – 1999; Seite an Seite – 1998; Im Zwielicht – 1998; Dead Man Walking – 1995; Der Klient – 1994; The Player – 1992; Thelma & Louise – 1991; Die Hexen von Eastwick – 1987; Begierde – 1983; "Rocky Horror Picture Show" – 1975; Tollkühne Flieger – 1975; Extrablatt – 1974), darf in einem Plädoyer in Handschellen für ihre politischen Überzeugungen werben und den damaligen Kampf als Verteidigung, als Notwehr gegen die herrschende Klasse der Massenmörder (Stichwort: Vietnam) beschreiben.

Ein politisches Statement, handwerklich professionell, gut geschrieben, gut gespielt. Wer interessiert ist, aber keine Zeit für das Buch hat, wird bei Redford gut bedient.

Wertung: 5 von 7 €uro
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