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Plakatmotiv: Dead Man walking – Sein letzter Gang (1995)

Beklemmendes Drama
aus dem Todestrakt

Titel Dead Man walking – Sein letzter Gang
(Dead Man walking)
Drehbuch Tim Robbins
nach dem Buch von Helen Prejean
Regie Tim Robbins, USA 1995
Darsteller

Susan Sarandon, Sean Penn, Robert Prosky, Raymond J. Barry, R. Lee Ermey, Celia Weston, Lois Smith, Scott Wilson, Roberta Maxwell, Margo Martindale, Barton Heyman, Steve Boles u.a.

Genre Drama
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
11. April 1996
Inhalt

Der zum Tode verurteilte Häftling Matthew Poncelet warten schon seit sechs Jahren auf seine Urteilsvollstreckung. In einem Brief bittet er die Nonne Schwester Helen Prejean um Hilfe, die noch nie mit einem Schwerverbrecher zu tun hatte.

Sie antwortet auf sein Schreiben und besucht ihn schließlich im Staatsgefängnis von New Orleans. Dort ist sie mit der von Bürokratie beherrschten Welt des Strafvollzugs konfrontiert und entschließt sich, dem Häftling trotz seiner ablehnenden Art und seines Zynismus zu helfen.

Bei ihrem Versuch, den sicheren Tod Poncelets doch noch abzuwenden, muss sie erfahren, wie wenig ein Menschenleben für Politik, Behörden und Medien wert ist und sieht sich schließlich auch mit den Eltern der Opfern konfrontiert, die eine Vergeltung für den Mord an ihren Kindern einfordern. Schwester Prejean findet sich bald zwischen den Fronten wieder und wird von Selbstzweifeln geplagt. Ist es richtig, sich auf die Seite eines Mörders zu stellen ..?

Was zu sagen wäre

Ein Mann wartet auf seine Hinrichtung. Eine Nonne soll seine letzten Tage begleiten und erwirken, dass das Todesurteil in Lebenslänglich geändert wird. Wir kennen schon Film, in denen Menschen, zum Tode verurteilt, hingerichtet werden sollen. James Cagney hatte seinen letzten Gang 1938 in Angels with dirty faces, in zwei Monaten sitzt Sharon Stone in dem Film Last Dance in der Todeszelle.

Regisseur Tim Robbins ("Bob Roberts" – 1992) nähert sich dem Stoff, der auf einem Buch jener Helen Prejean basiert, die Susan Sarandon im Film verkörpert und der sich vage an zwei Todesurteil-Fällen aus dem realen Leben orientiert, analytisch.  Statt mit wehenden Fahnen gegen die Todesstrafe zu agitieren, was erwartbar gewesen wäre, Robbins steht politisch erklärtermaßen links, verfilmt er einen Essay über die Todesstrafe im allgemeinen und die Menschen, die mit ihr in jedem Einzelfall verknüpft sind.

Das erste, was auffällt: Der Film hat wenig Musik. Meistens begleitet auf der Tonspur Stille, beziehungsweise die reine Atmo die mit statischer Kamera gedrehten Bilder. Manchmal sitzt die Kamera auf einem Dolly und wird über Schienen von A nach B geschoben. Hektische Bewegungen, schnelle – gerade modern – Schnitte findet man nicht. Das hätte nahe gelegen, denn wir erleben einen grausamen Doppelmord aus allen möglichen Perspektiven, wir erleben das Sterben eines Mannes in der Todeszelle. Da werden Regisseure schon mal schwach und überinszenieren das Geschehen. Tim Robbins bildet es einfach ab. Und er geht mit uns – besser: mit Schwester Helen – zu den Angehörigen, die hasserfüllt den Tod des Verurteilten gar nicht erwarten können – „Ich werde Dich brennen sehen!“ spuckt der Vater der mehrfach vergewaltigten, erdolchten und erschossenen Hope Matthew Poncelet ins Gesicht. Der wird gespielt von Sean Penn (Carlito's Way – 1993; Die Verdammten des Krieges – 1989; "Der Falke und der Schneemann" – 1985; Ich glaub' ich steh' im Wald – 1982; Die Kadetten von Bunker Hill – 1981) und der spielt Poncelet zu Beginn als arroganten, sexistischen, rassistischen Widerling hinter Gittern; kein Typ, für den wir uns im dunklen Kinosaal erwärmen möchten. Das muss Schwester Helen übernehmen, die mit sanfter Geduld in dieses ihr völlig fremde Lebensgefühl eintaucht und unerschütterlich an das Gute im Menschen glaubt. Susan Sarandon ("Betty und ihre Schwestern" – 1994; Der Klient – 1994; The Player – 1992; Thelma & Louise – 1991; Die Hexen von Eastwick – 1987; Begierde – 1983; "Pretty Baby" – 1978; "Rocky Horror Picture Show" – 1975; Tollkühne Flieger – 1975; Extrablatt – 1974) wurde für ihre Schwester Helen mit dem Haupotrollen-Oscar ausgezeichnet. Auch Sean Penn war nominiert, unterlag aber Nicolas Cage als Trinker in Leaving Las Vegas.

Wie schwer Helen dieses Geduld und der Glaube an das Gute fallen muss, wird anhand des Doppelmords deutlich; von allen Morden, die alle grausam sind, ist dieser Doppelmord ein furchtbar grausamer. Im gemütlichen Kinosessel sitzend kann man die Eltern der Toten gut verstehen, auch wenn man schon weiß, dass die Hinrichtung nichts an dem Schmerz der Hinterbliebenen ändert. Und wenn Poncelet dann in der Todeszelle langsam stirbt, schneidet Robbins Szenen des Doppelmordes in diese Sterbeszene. Er bietet uns da die Aktion und die strafrechtliche Reaktion in Parallelmontage und lässt uns dann allein in den Abspann gleiten. Eine Lösung, was wir von der Todesstrafe halten sollen, bietet der Film nicht an. Wir dürfen selber denken, wenn wir aus dem Kino kommen. Vielleicht sind wir dann ja auch weder bei den Angehörigen, noch dem Verurteilten. Vielleicht sind wir bei den Wärtern im Todestrakt, die stoisch ihren Dienst versehen, kein bisschen beeindruckt sind von den Dramen da um sie herum und noch zehn Minuten vor der Hinrichtung ein Baseballspiel im Fernsehen schauen. Sind wir bei den Wärtern, ist uns die Diskussion um die Todesstrafe egal: Der Delinquent kriegt, was er verdient. Punkt.

Mit seinen durch die Bank formidablen Schauspielern sowie Roger Deakins hinter der Kamera ("Die Verurteilten" – 1994; Hudsucker – Der große Sprung – 1994; Barton Fink – 1991) und Lisa Zeno Churgin und Ray Hubley am Schneidetisch hat Tim Robbins einen brutalen und beklemmenden Film gedreht, dessen Drama so unauflöslich ist.

Wertung: 9 von 11 D-Mark
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