In der Hoffnung auf eine heiße Nacht folgt ein junger Mann dem Fotomodell Danielle Breton nach Hause. Als er am Morgen in Danielles Appartement erwacht, wird er bestialisch ermordet. Die Journalistin Grace Collier beobachtet den Mord vom gegenüberliegenden Fenster aus, doch die alamierte Polizei findet keine Spuren.
Collier beauftragt den Privatermittler Joseph Larch mit weiteren Nachforschungen. Larch findet heraus, dass Breton einen siamesischen Zwilling hatte, von dem sie getrennt wurde – Dominique. Angeblich starb Dominique dabei …
Der junge Regisseur Brian De Palma macht keinen Hehl daraus, ein großer Bewunderer des Werks von Alfred Hitchcock zu sein. So erklärt sich einerseits seine generelle Lust auf vertrackt konstruierte Thriller sowie andererseits seine Lust, dem britischen Regisseur in ganzen Szenen seine Reverenz zu erweisen. Eine in jeder Facette logisch aufgebaute Story ist De Palma – ähnlich wie seinem großen Vorbild – weniger wichtig, als perfekter Szenenaufbau.
DePalma schert sich nicht ums Timing. Da fahren Grace, die Zeugin, und ihre Mutter minutenlang mit dem Auto für eine Strecke, die das spätere Opfer am Morgen eben mal schnell zu Fuß erledigt hat. Aber De Palma braucht diese Szene, um die familiäre Situation der Journalistin und die sie fesselnden Zwänge zu beschreiben und das gelingt hier besser, als in aufwändig, aber die Story bremsenden Situationskonstruktionen.
Später steigt der engagierte Privatdetektiv Larch in Danielles Wohnung ein und wir im Kinosessel werden an den Fingenägel kauend an Hitchcocks Rear Window erinnert.
In seinen besten Momenten greift der Film seinem Zuschauer direkt an die Kehle, musikalisch unterstützt von Hitchcocks Haus- und Hofkomponisten Bernard Herrmann.
Es beginnt ein wenig lahm, wenn TV-Sternchen Danielle einen Statisten verführt, mit aufs Zimmer nimmt, sich ihrem (angeblichen) Ex-Mann widersetzt. Das dauert alles und man fragt sich, wo das hinführen soll – als es in einem brutalen, ausgesprochen blutigen Mord endet. Das ist im Hollywoodkkino des Jahres 1972 durchaus ungewöhnlich, dass eine Weiße einen Schwarzen verführt, der dann bei ihr die Nacht verbringt; prompt muss der Schwarze dafür schmerzhaft bluten und büßen.
De Palma setzt hier eine Technik namens Split-Screen ein, das heißt, er teilt das Bild auf der Leinwand in zwei Hälften – rechts sehen wir den Todeskampf des Opfers, links sehen wir, wie das die Nachbarin von gegenüber aus ihrem Fenster sieht; eine ebenso gruselige wie verstörende Situation, weil sich die Töne mit anhaltender Dauer der Szene nicht mehr zuordnen lassen.
Dennoch denkt die Polizei zunächst gar nicht daran, beim 911-Notruf "Murder" sofort loszurasen. Sie benimmt sich wie bei Alfred Hitchcock ein wenig bräsig. Immerhin gibt De Palma ihr dafür einen Grund, indem die Zeugin eine Journalistin ist, die immer wieder Artikel gegen Polizeigewalt schreibt.
Die Story ist anheimelnd vertrackt, stellt sich aber dennoch ein Bein – schon im Titel. Es gibt Schwestern? Spätestens, wenn von Zwillingen, ja gar von Siamesischen Zwillingen die Rede ist, kann sich der Zuschauer gut einen Reim auf die Lösung des Falls machen.
De Palma braucht aber diese Story eben auch nur, um großartige Szenen zu generieren mit fließenden Kamerabewegungen, blutigen Überraschungen aus dem Nichts und schicksalshaften Wendungen, die die Handlung insgesamt zur Nebensache, zu einem spannenden Vehikel großartiger Insezenierungen macht.
Die Kinofilme von Brian De Palma
Brian De Palma (* 11. September 1940 als James Giacinto De Palma jr. in Newark, New Jersey) ist ein US-amerikanischer Filmregisseur.
In seinen Filmen geht es um Spannung, Mord, Besessenheit und psychische Störungen. Immer wiederkehrende Themen und Motive in seinen Filmen sind Voyeurismus und Überwachung, Doppelgänger, multiple Persönlichkeiten und Gewalt. De Palma bezieht sich in sehr vielen seiner Filme auf Alfred Hitchcock. So orientiert er sich in seinen Thrillern an Grundthemen und Motiven von Hitchcock-Filmen, zitiert Szenen und greift auf viele Strategien der filmischen Erzählung wie Plansequenzen und Nahaufnahmen in ähnlicher Weise wie Hitchcock zurück.
Filmtechnisch ist De Palma vor allem durch den ausgiebigen Einsatz der Steadicam bekannt. Sein Establishing Shot in Spiel auf Zeit führt beispielsweise mit nur einer, sehr elaborierten Kamerafahrt das gesamte Ensemble der Akteure ein. Als Erster hat De Palma den Split Screen als spannungserzeugendes filmtechnisches Mittel konsequent benutzt und auf diese Technik immer wieder zurückgegriffen.
Seinen ersten großen Erfolg feierte de Palma 1976 mit dem Horrorthriller Carrie – Des Satans jüngste Tochter, der auf dem Buch Carrie von Stephen King basiert. In den folgenden Jahren drehte er eine Reihe von weiteren Thrillern.
- Murder à la Mod (1968)
- Greetings (1968)
- The Wedding Party (1969)
- Hi, Mom! (1970)
- Hilfe, ich habe Erfolg (Get to know Your Rabbit, 1972)
- Die Schwestern des Bösen (Sisters, 1972)
- Das Phantom im Paradies (Phantom of the Paradise, 1974)
- Schwarzer Engel (Obsession, 1976)
- Carrie – Des Satans jüngste Tochter (Carrie, 1968)
- Teufelskreis Alpha (The Fury, 1978)
- Home Movies – Wie du mir, so ich dir (Home Movies, 1979)
- Dressed to Kill (1980)
- Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (Blow Out, 1981)
- Scarface (1983)
- Der Tod kommt zweimal (Body Double, 1984)
- Wise Guys – Zwei Superpflaumen in der Unterwelt (Wise Guys, 1986)
- The Untouchables – Die Unbestechlichen (The Untouchables, 1987)
- Die Verdammten des Krieges (Casualties of War, 1989)
- Fegefeuer der Eitelkeiten (The Bonfire of the Vanities, 1990)
- Mein Bruder Kain (Raising Cain, 1992)
- Carlito’s Way (1993)
- Mission: Impossible (1996)
- Spiel auf Zeit (Snake Eyes, 1998)
- Mission to Mars (2000)
- Femme Fatale (2002)
- The Black Dahlia (The Black Dahlia, 2006)
- Redacted (2007)
- Passion (2012)
- Domino (2019)