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Plakatmotiv: Reporter des Satans (1951)
Billy Wilder zerlegt die
gesellschaftliche Moral
Titel Reporter des Satans
(Ace in the Hole)
Drehbuch Billy Wilder + Lesser Samuels + Walter Newman + Victor Desny
Regie Billy Wilder, USA 1951
Darsteller Kirk Douglas, Jan Sterling, Robert Arthur, Porter Hall, Frank Cady, Richard Benedict, Ray Teal, Lewis Martin, John Berkes, Frances Dominguez, Gene Evans, Frank Jaquet, Harry Harvey, Bob Bumpas, Geraldine Hall u.a.
Genre Drama, Film Noir
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
15. Februar 1952
Inhalt

Der Reporter Chuck Tatum ist ein talentierter und ehrgeiziger Reporter, dem seine Egozentrik immer im Weg steht. Von New Mexico aus hat er sich nach New York gearbeitet, wurde dabei von elf Redaktionen gefeuert, unter anderem wegen Beleidigung, Trunksucht und Ehebruch.

Aus finanzieller Not muss er nun für den Albuquerque Sun-Bulletin schreiben, eine kleine Lokalzeitung, die unter ihrem Chefredakteur Jacob Boot für einen unspektakulären, aber ehrlichen Journalismus steht. Nach einem Jahr bei der Sun-Bulletin erhält Tatum gemeinsam mit dem jungen Fotografen Herbie Cook den Auftrag, über eine Klapperschlangenjagd zu berichten. Zufällig hört er von Leo Minosa, einem Einwohner, der auf der Suche nach indianischen Artefakten in einer Höhle eingeschlossen wurde. Tatum glaubt, eine Sensations-Reportage schreiben zu können, mit der er wieder zu einer der bedeutenden Zeitungen kommen kann.

Plakatmotiv: Reporter des Satans (1951)Tatum behindert die Rettungsarbeiten und lässt sich dabei gleichzeitig zum heldenhaften Retter des Eingeschlossenen hochloben. Gemeinsam mit dem korrupten Sheriff Kretzer, der durch das Drama seine Popularität erhöhen will, übt der Reporter Druck auf die Ingenieure aus, damit sie eine langsamere Rettungsmethode benutzen. Tatum will damit erreichen, seine Reportage landesweit verkaufen zu können. Die Ehefrau des Verunglückten, Lorraine, verbündet sich ebenfalls mit Tatum. Da sie das Leben auf dem Land immer als langweilig empfand, wollte sie ihren Mann schon lange verlassen und flirtet mit Tatum, der sie in der Öffentlichkeit allerdings die liebende, besorgte Ehefrau spielen lässt. Lorraine führt das Geschäft ihres Mannes weiter, das durch die Schaulustigen, die nach und nach eintreffen, profitiert. Herbie Cook, der bislang idealistische Fotograf der Zeitung, malt sich seinen Gewinn aus, wenn er die Bilder an ein großes Magazin verkauft …

Was zu sagen wäre

Nach Boulevard der Dämmerung wieder ein Mann, der das Unglück anderer auswaidet, bevor er, zu spät, zur Besinnung kommt. Nach dem sensiblen Verlierer William Holden kommt nun der virile Kirk Douglas in der Titelrolle den Boulevard der Träume entlang. Und was für ein Auftritt: Er flätzt lässig am Steuer seines Cabrios, das am Abschlepphaken durch die Stadt gezogen wird und hält, wo er, Douglas, es dem gesichtslosen Abschleppfahrer befiehlt. Schönheitsfehler im Bild: Der Boulevard der Träume ist die Mainstreet Albuquerques in New Mexico, verstaubte Provinz statt strahlender Großstadtlichter. Dieser Mann, den Kirk Douglas spielt, ist hier offensichtlich falsch – falsch im doppelten Sinne.

Mit physischer Wucht walzt er wie ein Donnergroll durch die Redaktion der lokalen Zeitung, präsentiert sich als Star-Journalist, mit dem der hiesige Verleger jede Woche 200 Dollar verdienen könne: „Normalerweise bin ich 250 Dollar die Woche wert. Bei Ihnen arbeite ich für 50!“ tönt er im Büro des Herausgebers, zählt arrogant all seine Verfehlungen auf, deretwegen er aus allen großen Verlagshäusern geworfen wurde – Falschmeldungen, Alkoholismus, Ehefrau des Chefredakteurs verführt – und bekommt den Job. Der Mann, der hier falsch ist, spielt auch falsch – und hat ein Credo: „Schlechte Nachrichten gehen am besten. Weil gute keinen interessieren!“ Dieser Tatum ist ein Profi, und Profi heißt bei Billy Wilder, der als Journalist in den 20er Jahren in Berlin gearbeitet hat, immer auch Zyniker. Wilder lässt gar keinen Zweifel daran, was für eine Type wir hier ins Herz schließen sollen und das gelingt natürlich auch, weil es Kirk Douglas ist („Die Glasmenagerie“ – 1950; Goldenes Gift – 1947). Aber natürlich haben wir auch Spaß am Hallodri, hinter dessen dämonischem Grinsen dann aber doch nichts Gutes steckt – wir fühlen gemäß der abgewandelten Devise Schlechte Typen gehen am besten. Weil gute keinen interessieren!

Die Faszination, die dieser falsche Hund auslöst, funktioniert auch, weil die Welt um ihn herum kein Himmelreich voller Engel ist. Kühl kalkuliert deckt Wilder die Abhängigkeiten auf, die die Säulen einer Gesellschaft zu deren tragendem Fundament werden lassen: Der Reporter ist angewiesen auf eine gute Story, die er möglichst lange exklusiv verkaufen kann – dafür braucht er den Sheriff (der andere Journalisten in deren Arbeit behindern kann). Der Sheriff ist für seine Wiederwahl angewiesen auf gute Presse, hilft also gern und weist Gus, den Bergmann, an, eine zeitraubende Rettungsaktion zu wählen. Gus, der Bergmann, ist angewiesen auf Jobs, die der Sherrif ihm verschafft. Die Ehefrau des verschütteten Leo will eigentlich seit langem weg aus dem Kaff, das außer der gemeinsam betriebenen Tankstelle mit Imbiss nichts zu bieten hat und bleibt, als ihr klar wird, wieviel Geld der Reporter mit seinen Stories über den Verschütteten in ihre Imbisskasse spült. Als diese platinblonde Lorraine  – die zwar weiß, welche Haarfarbe sie 1945 hatte („da hatte ich rot“), aber sonst nichts versteht („Wenn Dummheit weh tut, müssten Sie den ganzen Tag schreien.“) – klar wird, was hier (auf den Schultern ihres verhassten Ehemannes) zu holen ist, beißt sie genussvoll in den Apfel, den sie in der Hand hält; ganz wie einst Eva vor dem Sündenfall. Bei all diesen Figuren ist Chuck Tatum, der Reporter nur das Schwungrad. Nur – ausgerechnet – der verschüttete Leo, der im Dunkeln vor sich hinvegetiert, bescheinigt Tatum: „Du hast mich nie belogen.

In der Welt dieses Films sind die anderen Reporter, die hier bald auftauchen, kaum besser. Billy Wilder entwirft das Porträt eines Berufszweiges aus lauter Lügnern und Aufschneidern. Im Laufe der 111 Minuten degeneriert der Leitsatz des Journalisten „Tell the Truth“, zu 1.: „Etwas passiert und ich schreibe drüber“, dann 2.: „Wie es der Leser will, so wird es gemacht“ zu schließlich 3.: „Das ist ein Riesengeschäft!“ Das bringt sogar den anfangs naiven und stets integren Nachwuchsfotografen Herbie, der bisher Hasenzüchter und Schlangenjäger fotografierte, zu der Überzeugung: „Erfolg macht ja Spaß.“ Es lebe der Journalismus.

Billy Wilder wirft einen zynischen Blick auf die Machenschaften einer zynischen Branche, die nur in einer zynischen Gesellschaft gedeihen kann. Der Mann, der mit „Double Indemnity“ oder „Lost Weekend“ messerscharfe Analysen männlicher Schwächen und deren tödliche Auswirkungen auf ihr Umfeld inszeniert hat, präsentiert erst hier, unter der Sonne New Mexicos, seinen bittersten Film.

Wertung: 6 von 6 D-Mark
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