Der Erbe stürzt in eine Höhle. Fledermäuse erschrecken ihn zu Tode. Einen Opernbesuch brechen er und seine Eltern nach der Pause ab – der Erbe bekam im Dunkel Panikschübe. Draußen auf der Straße werden die Eltern Thomas und Martha Wayne von einem Straßenräuber erschossen. Der Erbe, Bruce Wayne, neun Jahre alt, ist allein auf dem riesigen Anwesen Wayne Manor. Allein mit dem treuen Butler Alfred.
Nach der Ivy-League-Ausbildung lässt Bruce alles hinter sich, verschwindet irgendwo, taucht in einem asiatischen Gefängnis wieder auf. Dort findet ihn Henri Ducard, Anwalt eines Mannes namens Ra's Al Ghul, der Wayne eine Zukunft verspricht – dass er finden werde, was er sucht.
In der schwarzen Kälte des Himalaya beginnt eine Ausbildung zum Schatten. Wayne lernt, zu kämpfen, zu verwirren, die Taktik des Kampfes. Aber er schließt sich Al Ghuls Armee der Schatten nicht an. Ihre Ziele sind nicht seine Ziele. Einige Zeit später hat das Nachtleben der verkommenen, von Korruption und Mord gebeutelten Stadt Gotham City ein neues, prominentes Mitglied: Bruce Wayne, Erbe und Müßiggänger.
In diesen Tagen bekommt die Unterwelt von Gotham City ihre Nemesis: Ein maskierter Kämpfer namens "Batman". Der Rächer im Fledermaus-Dress kommt zur rechten Zeit: "Scarecrow" verbreitet mittels chemischer Waffen Angst und Schrecken und bemächtigt sich des Mobs in den dunklen Straßen. Sie warten auf einen unheimlichen Mann im Schatten, der den Sündenpfuhl Gotham austrocknen will …
Die Farbe verschwindet schon nach wenigen Minuten aus dem Film. Nur kurz ist der Himmel blau, das Gras grün, spielen zwei Kinder ungezwungen zwischen Gewächshaus und Brunnen. Als der junge Bruce Wayne in den Brunnen stürzt, weicht die Farbe aus dem Film. Dem Schwarz einer Fledermaushöhle gesellen sich kaltes Grau, Blau und ein sepia getöntes Gotham bei Nacht hinzu. Tag wird es in diesem Film nur selten. Er erzählt von Angst als der Triebfeder allen menschlichen Seins.
Batman, der dunkle Ritter, ist heimgekehrt. Nachdem er 16 Jahre lang von Amateurpsychologen durch den Psycho-Kakao gestörter Persönlichkeiten gezogen wurde, nehmen ihn Autor David S. Goyer und Regisseur Christopher Nolan ernst. Bruce Wayne wird zur zivilen Maske des Mannes, der im schwarzen Fledermausanzug Furcht unter den Kriminellen in Gotham City verbreitet, einer Stadt, die als das Sodom & Gomorra der Neuzeit erzählt wird – unermesslicher Reichtum, unfassbare Armut. Dieser Batman wurde aus der Angst eines neunjährigen Jungen heraus geboren, der sich nicht verzeihen kann, dass, weil er während einer Theateraufführung plötzlich Angst bekam, seine Eltern mit ihm das Theater früher verließen und in einer Nebenstraße einem Raubmord zum Opfer fielen. Diese Motivation würde vielleicht in einem Sigmund-Freud-Seminar nicht als ausreichend erachtet, als Erklärung in einer Geschichte, die von der Entstehung und dem Drama eines maskierten Retters erzählt, funktioniert das gut.
Angst und Zorn sind die zwei Seiten der Medaille, die diesen Film zusammenhalten. Scarecrow heißt einer der Schurken im Stück, die Vogelscheuche, die mittels eines Neurotransmitters Menschen unmittelbar in den Wahnsinn treibt. Und auch der Hauptschurke, Ra's al Ghul, der sich und seine Armee der Schatten als Retter der Menschheit intoniert, will Gotham, stellvertretend für die ganze moderne Zivilisation, durch Furcht und Panik den Garaus machen. Die Seinen hätten schon Konstantinopel zerstört, Rom in Brand gesetzt, seien immer da gewesen, wenn die satt gewordene Gesellschaft an ihrer Dekadenz zugrunde zu gehen drohte. Und Gotham ist zumindest kurz davor, die Polizei durch und durch korrupt – bis auf den braven Sergeanten Jim Gordon – das Rathaus, die Behörden durchsetzt von Frauen und Männern, die die Hand aufhalten und Recht gegen Dollars tauschen. Das alles ist für einen verfilmten Comic überhöht, auf die Spitze getrieben. Aber das reale New York, das als Vorbild für das Comic-Gotham steht (ebenso, wie für das stets sonnendurchflutete Metropolis, in dem Superman lebt), war bis in die 1980er Jahre ein auf realer Ebene durchaus vergleichbarer Sündenpfuhl.
Der Niedergang der Stadt begann durch Verantwortungslosigkeit, die durch Angst entsteht. Niemand wollte sich dem Organisierten – und besser bewaffneten – Verbrechen in den Weg stellen. Batman in seinem Ursprung ist die Geschichte eines Sohnes und dessen Vater. Darüber, wie der Sohn es besser machen will als der Vater und dessen Vorbild gleichzeitig doch genügen will. "Vater und Sohn" in solchen Geschichten ist die Metapher auf die Historie. Kann die kommende Generation das Erbe der gehenden ordentlich verwalten und für die nächste mehren? Kann der Mensch bestehen vor der Last der Geschichte? Kann Bruce Wayne fortführen, worin sein Vater beinahe gescheitert wäre? Thomas Wayne, der Vater, wird beschrieben als eine Art Engel von Gotham City, als letzter Aufrechter im Kampf gegen den Niedergang, der versucht, „während der großen Depression“ (die Figur des Batman erschien erstmals 1939) die Armut der Stadt zu lindern und zu bekämpfen. Dabei ging er beinahe bankrott. „Er glaubte, sein Vorbild könne die Reichen von Gotham dazu bringen, ihre Stadt zu retten.“ „Hat es das?“ „Irgendwie schon. Seine Ermordung zwang die Reichen und Mächtigen, etwas zu unternehmen.“ Der Mord an Thomas Wayne wird zum Initiationsritus für das Böse, das die Stadt übernimmt, denn die Reichen und Mächtigen zogen sich in Unternehmensbeteiligungen und noble Landsitze, oder in den Drogenhandel und noble Clubs zurück. Die anderen leben auf der Straße.
Bruce Wayne wächst als Waisenkind heran, erzogen von Privatlehrern und dem treuen Butler Alfred Pennyworth. Ein Vaterloser, der in der Welt fernab von Gotham versucht, dem Erbe seines Vaters gerecht zu werden, ohne zu wissen, worin das besteht. Denn er müsste das Erbe gar nicht antreten, hätte er als Neunjähriger im Theater nicht so versagt: „Was suche ich denn?“, fragt er. „Das wissen nur sie selbst!“, sagt Henri Ducard im Himalaya. Gespielt wird dieser verzweifelt Suchende von Christian Bale, der einem nicht als Erstes für diese prominente Rolle in den Sinn kommt ("Equilibrium" – 2002; Die Herrschaft des Feuers – 2002; Corellis Mandoline – 2001; Shaft – Noch Fragen? – 2000; American Psycho – 2000; Das Reich der Sonne – 1987). Und das erweist sich als der richtige Schachzug für den Mann mit der Maske, der ohne die schwarzen Fledermausohren ein oberflächlicher Bonvivant in Gothams Bling-Bling-Society ist, nicht zu greifen – eben wie Bale selbst, der sich eben noch für "Der Maschinist" (2004) auf spindeldürr runter gehungert und für diese Rolle auf 110 Kilo wieder hoch gefuttert hat; bis daraus die notwendige Muskelmasse trainiert war, galt er bei den Crewmitgliedern hinter vorgehaltener Hand als "Fatman". Im Film bekommt der Mann ohne Vater – die Mutter Martha spielt in diesem männerfixierten Drama keine Rolle – es mit gleich drei Vätern zu tun.
Weniger Vaterfigur, mehr einen gütigen, humorvollen Onkel spielt Morgan Freeman ("Edison" – 2005; Million Dollar Baby – 2004; Bruce Allmächtig – 2003; "Dreamcatcher" – 2003; Der Anschlag – 2002; Nurse Betty – 2000; Deep Impact – 1998; Hard Rain – 1998; Amistad – 1997; Denn zum Küssen sind sie da – 1997; Sieben – 1995; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Die Verurteilten – 1994; Erbarmungslos – 1992; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; "Glory" – 1989; Miss Daisy und ihr Chauffeur – 1989; Johnny Handsome – 1989; Brubaker – 1980). Freeman gibt als genialer Wissenschaftler Lucius Fox die plausible Erklärung für all die raffinierten Gadgets, mit denen Batman kämpft, und spielt eine weitere Vorstellung als integrer, sich vom Leben nicht unterkriegender, freundlicher, kluger Mann. Und bevor wir im Kinosessel nicht schon wieder er stöhnen können, hat er uns schon ins Herz geschlossen: „Mister Wayne. Wenn Sie mir über das, was Sie tun, nichts sagen, muss ich nicht lügen, wenn man mich fragt. Aber halten Sie mich nicht für einen Idioten.“
Der wichtigste Vater im Leben des Waisenjungen verkörpert der treue, väterliche Butler der Waynes, Alfred Pennyworth: „Verletzungen und ein nicht existentes gesellschaftliches Leben. Das wird die Frage aufwerfen, was genau Bruce Wayne eigentlich mit seiner Zeit und seinem Geld macht.“ „Was tut jemand wie ich denn so?“ „Nun … er fährt Sportwagen, geht mit Filmstars aus, kauft Dinge, die eigentlich unverkäuflich sind. Wer weiß, Master Wayne, wenn Sie ein wenig Spaß vortäuschen, könnten sie ja versehentlich welchen haben.“ Dieser Butler ist das Fleisch gewordene Goldstück. „Hast Du mich immer noch nicht aufgegeben, Alfred?“ „Niemals, Master Wayne!“ Alfred ist der ruhende Pol in diesem Film, die Stimme der Vernunft, wenn der noch unerfahrene Kämpfer für die Entrechteten seinen moralischen Kompass zu verlieren droht; eben ganz der sorgende, nach vorne schauende Vater. Michael Caine spielt den Alfred als seinem Master Bruce treu ergeben, nie unterwürfig. Eine große Rolle für den großen britischen Schauspieler ("Austin Powers in Goldständer" – 2002; Miss Undercover – 2000; Get Carter – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Hannah und ihre Schwestern – 1986; Der 4 1/2 Billionen Dollar Vertrag – 1985; Die Hand – 1981; Dressed to Kill – 1980; Freibeuter des Todes – 1980; Die Brücke von Arnheim – 1977; Der Adler ist gelandet – 1976; Der Mann, der König sein wollte – 1975; Die schwarze Windmühle" – 1974; "Mord mit kleinen Fehlern" – 1972; Jack rechnet ab – 1971; Charlie staubt Millionen ab – 1969; Ein dreckiger Haufen – 1969; Das Milliarden Dollar Gehirn – 1967; Siebenmal lockt das Weib – 1967; Finale in Berlin – 1966; Ipcress - streng geheim – 1965).
Um diesen kräftigen Stamm von Ersatzvätern, -Onkeln und Helden hat Christopher Nolan einen wunderbaren Supporting Cast gebaut. Gary Oldman (Rufmord - Jenseits der Moral – 2000; Lost in Space – 1998; Air Force One – 1997; Das fünfte Element – 1997; Léon – Der Profi – 1994; True Romance – 1993; JFK - Tatort Dallas – 1991; Im Vorhof der Hölle – 1990) spielt den Sergeant Gordon als Melange aus einfachem Beamten, der seine Familie in Sicherheit hält (und in der Freizeit vielleicht gerne Bowling spielen geht mit Kollegen, wären die nicht zumeist korrupt) und aufrechtem Polizisten, der sich von Korruption und Verrätern in den eigenen Reihen nicht einschüchtern lässt. Rutger Hauer spielt, was er am besten kann: Den netten, integren Könner, der Dir unauffällig den Boden unter den Füßen klaut (Sin City – 2005; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Knockin' on Heaven's Door – 1997; "Blinde Wut" – 1989; Hitcher, der Highway Killer – 1986; "Fleisch & Blut" – 1985; "Der Tag des Falken" – 1985; Die Brut des Adlers – 1984; Das Osterman Weekend – 1983; Der Blade Runner – 1982; Nachtfalken – 1981). Er teilt das Schicksal des Iren Sean Bean: Wenn er auftaucht, weiß man: Der ist einer von den Unangenehmen. Was im vorliegenden Fall aber nicht weiter schlimm ist, weil Hauer nur in der Nebenhandlung eine Rolle spielt.
Schließlich Katie Holmes als einzige Frau mit Geschichte in diesem Männerreigen ("Ein Date mit Hindernissen" – 2004; Nicht auflegen! – 2002; The Gift – Die dunkle Gabe – 2000; Tötet Mrs. Tingle – 1999; "Dawsons Creek" – TV Serie 1998-2003). Sie spielt die energische Staatsanwältin Rachel Dawes. Aufrecht. Kämpferisch. Süße Kulleraugen. Sie geriet zum Filmstart ungewollt in die Schlagzeilen, weil Tom Cruise (Mission: Impossible) ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht hatte und deshalb in einer Talkshow glücklich verliebt auf dem Sofa herumsprang. Die Rolle der kämpferischen, unbestechlichen Beamtin ist Katie Holmes nicht auf den Leib geschrieben. Prompt verliert sie im Verlauf des Films an Profil und kann sich noch glücklich schätzen, von Batman gerettet zu werden und dennoch allein in den Abspann gehen zu dürfen.
Christopher Nolan und David S. Goyer behandeln ihren Titelhelden mit dem nötigen Ernst, schauen hin, wer das eigentlich ist. "Batman begins" erzählt dann eine prächtige, spannende, dramatische Geschichte, die keine Hänger hat. Der Werdegang ist beiden 35 Minuten wert. Man lässt sich Zeit im neuen Batman-Universum. Im klassischen Erzählstil beschränkt sich die Action auf wenige Kampfszenen – Training im Himalaya, Prügeleien im Dunkel der Stadt – und den Showdown, der mit einer Verfolgungsjagd BAT-Mobile gegen Polizeiautos beginnt und in der Zerstörung der Hochbahn ihren Höhepunkt erlebt.
Die Figuren sind realistisch – es bleiben Comic-Helden und -Schurken mit lustigen Fähigkeiten, na gut, aber in ihrem (Comic-)Universum sind sie eine lebendige Entsprechung ihrer gezeichneten Vorbilder. Ein Comic bleibt ein Comic bleibt ein Comic – es eignet sich nicht für eine Auseinandersetzung von Künstlern mit ihrer dysfunktionalen Vergangenheit. Ich freue mich auf den nächsten Batman-Film! Zum ersten Mal, seit es seit 1989 wieder Batman-Filme gibt. Es gilt: Batman begins!
Batman im Kino
- Batman hält die Welt in Atem (1966)
- Batman (1989)
- Batmans Rückkehr (1992)
- Batman Forever (1995)
- Batman & Robin (1997)
- Batman begins (2005)
- The Dark Knight (2008)
- The Dark Knight rises (2012)
- The Batman (2022)
Übersicht: Helden im Comic, Helden auf der Leinwand