Loki will die Welt erobern. Loki ist der Halbbruder des Donnergottes Thor aus dem Reich Asgard und er fühlt sich von jeher ungerecht behandelt. Er hat sich mit den Finsterlingen einer dunklen Rasse fern dieser Welt zusammen getan und denen versprochen, den „Tesserakt“ zu besorgen, einen magischen Würfel aus dem nordischen Götterreich, an dem sich schon vor vielen Jahren der Red Skull die Zähne ausgebissen hat, als Captain America dessen Welteroberungspläne vereiteln konnte. Loki hat Erfolg: Er dringt in die geheime, unterirdische Zentrale der Organisation S.H.I.E.L.D ein, entführt und hypnotisiert den Agenten Clint Barton – Kampfname: Hawkeye – und den Wissenschaftler Erik Selvig und verwschwindet mit dem Würfel.
Mithilfe der Agentin Natasha Romanoff – Kampfname: Black Widow – mit Captain America, dem Gammastrahlen-Experten Dr. Bruce Banner sowie dem industriellen Tony Stark – Kampfname: Iron Man – gelingt es dem Leiter von S.H.I.E.L.D, Nick Fury, Loki in Stuttgart zu fassen. Allerdings hat S.H.I.E.L.D die Rechnung ohne Thor gemacht, der, stinksauer, seinen Halbbruder raushaut, um ihn in Asgard seiner gerechten Bestrafung zuzuführen.
Die Folge dieser Entführung ist eine ausgiebige Prügelei in den Wäldern Montanas, in der Captain America, Thor und Iron Man ihre Kräfte messen bis sie einsehen, dass sie irgendwie einander ebenbürtig sind und alle außerdem dasselbe Ziel haben: Loki schnappen, Tesserakt sicherstellen.
Schließlich wird Loki auf dem Helicarrier, der fliegenden Kommandozentrale von S.H.I.E.L.D., festgesetzt. Allerdings gilt Loki nicht ohne Grund als Gott der Zwietracht. Während also die kostümierten Helden herausfinden, dass auch S.H.I.E.L.D. den Tesserakt bisher nicht einfach in Verwahrsam hielt, sondern versuchte, ihn für ultimative Waffen einzusetzen und darüber mit Fury und seinen Leuten in Streit geraten, geht Lokis Plan auf: Bruce Banner verwandelt sich in den Gewaltigen Hulk und haut den Helicarrier zu Klump. Loki kann fliehen.
Immerhin gelingt es Black Widow in dem Tohuwabohu, ihren alten Gefährten Hawkeye, einen exzellenten Bogenschützen, aus seiner Hypnose zu befreien und damit das Team wertvoll zu verstärken.
Das "Team"?
Nach der Schlappe an Bord des Helicarrier besinnen sich die Kostümierten auf ihre Fähigkeiten, auf die Gefahr, die der Welt droht und darauf, dass unter den obwaltenden Umständen die Egoismen und Eitelkeiten eines jeden Einzelnen nicht helfen. Sie raufen sich zusammen zu dem, was Nick Fury unter dem Codenamen „Avengers-Initiative“ seit langem plant: Es ist die Geburtsstunde der Avengers, der Ruhmreichen Rächer.
Dieser Film wurde vor vier Jahren angekündigt, nach dem Abspann zum ersten Iron-Man-Film. Iron Man war 2008 eine große, positive Überraschung; entsprechend hoch waren seither die Erwartungen (und Befürchtungen) an einen Film, der jede Menge Comic-Superstars und -Egos vereinen sollte. Dieser erste Avenger-Realfilm aus dem Haus MARVEL erfüllt die Erwartungen, nicht die Befürchtungen.
Black Widow hat das erste Highlight des Films
Das hätte leicht ins Auge gehen können: Die Ego-Trips, auf denen die Figuren in dem vorliegenden Film unterwegs sind, hätten ja auch deren teils hochkarätigen, oder zumindest nicht ohne weiteres zu ersetzenden Schauspieler begehen können. Haben sie aber nicht. Zak Penn und Joss Whedon haben ein Drehbuch geschrieben, in dem jede Figur ausgiebig Raum bekommt, sich ausztutoben. Das nutzen vor allem die Alphakerle Tony Stark und Steve Rogers, um sich ordentlich anzustänkern. Und als ihm Thor als Gott vorgestellt wird, sagt er: „Es gibt nur einen Gott. Und ich bin ziemlich sicher, dass er sich nicht so anzieht!“ Überhaupt gibt sich der Mann, geboren 1918, als verunsicherter Mann von Gestern, wenn er fürchtet, seine Stars-and-Stripes-Uniform könnte etwas altmodisch sein heutzutage und Agent Coulson glaubt, in Zeiten wie diesen könnten ”die Leute Altmodisches gut gebrauchen“. Und Natasha Romanoff spricht er mit „Ma'am“ an. Die Action bleibt in der ersten Hälfte des Films sehr dosiert; lediglich Black Widow darf schnell zeigen, was sie so drauf hat und sich aus einer schmerzhaften Befragung durch Finster-Russen freiprügeln – ein frühes Highlight des Films.
Im Hintergrund spürt man MARVELs ordnende Hand, die schon in den Comicvorlagen viel Wert auf Zwischenmenschliches legt – was so weit geht, dass in den Comics ein Mitglied der Avengers sich der Gewalt in der Ehe schuldig macht – und die Helden also erst einmal sich beschnuppern lässt. Sie dürfen sich raufen wie Jungs im Sandkasten, dürfen Sprüche klopfen, wie halbstarke Pennäler, dürfen langsam erwachsen werden und sich dann zu einer unschlagbaren Truppe gegen das Übel von Auswärts formieren.
Jede Menge Magic Moments
Da gibt es für MARVEL-Comic-Fans jede Menge Magic Moments: Captain America, der Supersoldat, der zunächst etwas verloren wirkt unter Halbgöttern, Eisernen, Hulks, flinken Bogenschützen und einer Black Widow, die auch ohne Super-Chemikalien so gut fightet, wie Steve Rogers das erst durch deren Einfluss kann. Hier übernimmt er – von der Truppe eitler Selbstdarsteller unwidersprochen – locker und klar das Kommando und weiß, was zu tun ist.
Mark Ruffalo ist ein weiterer Magic Moment. Der mittlerweile dritte Hulk-Darsteller (nach Eric Bana und Edward Norton) gibt einen sehr entspannten, unaufgeregten Bruce Banner, der ein wenig ungläubig auf die seltsame Horde Kostümierter blickt, einen erfolglosen Suizidversuch hinter sich hat, sein grünes Alter Ego mit Humor in Schach hält und diesem beizeiten aber doch die Sporen gibt. Und wenn er dem „ICH! BIN! EIN! GOTT!!!“ faselnden Loki mal auf sehr eindrückliche Art zeigt, was der große Grüne von Göttern hält, rufe ich befreit „Na, endlich mal einer!“ aus. Wenn ich an Comic-Schurken etwas noch nie mochte – weder im Kino noch im Comic – dann deren „Knie nieder, du Narr!“-Attitüde.
Die Regie kennt ihre Hero-Posen
Die Kamera kreist um die Protagonisten – nicht deren Stars um sie. Regisseur Joss Whedons Film vermittelt den Eindruck, als hätte der all die Superhero-Posen schon mit der Muttermilch eingesogen. Für mich persönlich ist auch Cobie Smulders ein Magic Moment, die die rechte Hand von S.H.I.E.L.D.-Boss Nick Fury gibt. Man kennt sie aus der TV-Serie "How I met Your Mother" als bindungsscheue Robin, die hier im S.H.I.E.L.D.-Catsuit Maria Hill spielt, die in der Comicserie später die Helden an die Kette legen möchte.
Zehn Minuten toben die Helden in einem nachgebauten Stuttgart (wieso eigentlich ausgerechnet das weltweit unbekannte Stuttgart?), wo Loki zum ersten Mal Menschen auf die Knie zwingen will, worauf ein alter Mann sich trotzig wieder erhebt, weil er sich keinem Diktator mehr beugen will – „nie wieder“ möchte man da rufen. Hui, Hollywood entlässt die Deutschen des 21. Jahrhunderts aus der Jahrhundertschuld.
Ein großer Spaß, der die Tiefe nicht schafft
Der Film ist ein großer Spaß, der an der Oberfläche bleibt. Die Grenze des verfilmten Multi-Helden-Actioncomics ist erreicht, wenn einzelnen Figuren Tiefe gegeben werden sollte. Man mag beklagen, dass der Alkoholismus Tony Starks nicht thematisiert wird, dass soziale Schieflagen, denen sich die Kostümierten im Heft immer wieder stellen, im Kino außen vor bleiben, dass die Fragen von Krieg und Frieden, Diktatur und Faschismus, die vor allem der für die Freiheit kämpfende Captain America und Iron Man (hinter dessen Maske immerhin ein Ex-Waffenproduzent und Großindustrieller steckt) immer wieder ausfechten, nicht gestellt werden. Aber was in den Avenger-Comics gelingt, muss in solch einem Multimillionen-Dollar Spektakel eben diesem Spektakel weichen.
Dafür wird – vor allem dann ab der zweiten Hälfte – ein echtes Spektakel auch geliefert: Die Action-Fotografie aus der CGI-Schmiede wird nicht plump und schnell einfach geschnitten. Wheedon bietet bei vielen Einstellungen kleine Extras, die dem Auge jene Pausen gönnt, die es braucht, um den Thrill-Ride zu genießen. In einem Longshot etwa gleitet die Kamera von einem Kämpfer zum nächsten durch wüstes Getümmel, Geballer und Beprügel und macht dadurch aus den sieben Einzelkämpfern eine Gruppe. Mit CGI und Greenscreen sind solche angeschnittenen Kamerafahrten heute kein größeres Problem mehr; beeindruckend bleibt die Wirkung solcher Bilder weiterhin.
Der Mode geschuldet wird auch dieser Film in 3D angeboten. Und auch in diesem Fall ist die 3D-Version überflüssig. Wie schlecht sie ist, sieht man an Bord des Helicarriers, wo es zahllose durchsichtige Computermonitore gibt, die aussehen, wie aus dem Avatar-Fundus geklaut. Bei James Camerons 3D-gedrehten Bildern sind diese Monitore eigene Hingucker. Bei Wheedons 2D gedrehten, zu 3D aufgeblasenen Bildern sehen die aus wie, naja, Computermonitore. Die Filmindustrie tut sich keinen Gefallen damit, Filme aufzublasen, um sie vermeintlich attraktiver gegenüber dem DolbyStereoPlasmaTV-Sound-Erlebnis daheim zu machen. Sie sind nicht attraktiver. Nur viel teurer.