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Plakatmotiv: American Beauty (1999)

Exakte Betrachtungen von Männlein,
Weiblein und dem lächerlichen Rest

Titel American Beauty
(American Beauty)
Drehbuch Alan Ball
Regie Sam Mendes, USA 1999
Darsteller

Kevin Spacey, Annette Bening, Thora Birch, Wes Bentley, Mena Suvari, Chris Cooper, Peter Gallagher, Allison Janney, Scott Bakula, Sam Robards, Barry Del Sherman, Amber Smith, Joel McCrary, Marissa Jaret Winokur, Dennis Anderson, Matthew Kimbrough u.a

Genre Drama
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
20. Januar 2000
Inhalt

Lester Burnham hat sich entschieden, in seinem Leben einige Änderungen vorzunehmen. Nein, es handelt sich bestimmt nicht um Midlife Crisis … eher um sowas wie ein nochmal anfangen. Sein Job ist nur noch Routine. Zu Hause stimmt schon lange nichts mehr. Jahrelang unterdrückt durch seine frustrierte Ehefrau Carolyn und seine halbwüchsige, missmutige Tochter Jane, hat er jetzt den Kanal voll, ausgelöst pikanterweise durch Angela, die er als Freundin seiner Tochter kennenlernt: blond, hübsch, ein sündhafter Traum.

Mit den wildesten Vorstellungen im Kopf schmeißt Lester seinen Job, erpresst sich dabei eine fette Abfindung und holt ohne Rücksicht auf Verluste all das nach, was er glaubt, bisher verpasst zu haben. Er baut seine Garage zum Fitnessraum um und beginnt, sich körperlich in Form zu bringen. Er macht zu Hause den Mund auf und haut auf den Tisch, was zu außerordentlicher Irritation bei Frau und Tochter führt. Er kauft sich einen schicken Sportwagen und bringt mit seiner neuen Offenheit auch den Rest seines Lebens durcheinander.

Vervollständigt wird das Chaos in der beschaulichen kleinen Gemeinde durch den Zuzug einer genauso durchgeknallten Familie: Marine Col. Fitts, seine geistlose Frau Barbara und Sohnemann Ricky, der sofort großes Interesse an Jane entwickelt …

Was zu sagen wäre

Ein eingefrorenes Eheleben sieht in etwa so aus: Sie sitzt auf dem Sofa, er säuselt nette Erinnerungen, nähert sich ihr. Und als die Lippen sich beinahe berühren, sieht sie, dass er gleich den Inhalt seiner Bierflasche auf das „4000-Dollar-Sofa, das mit italienischer Seide überzogen ist“, verschüttet. Säuseln, Romantik, Erregung sind dahin. Lester Burnham zieht sich in seine Garage zurück, in der sich seine Fitnessgeräte aufgebaut hat und betrachtet im Spiegel seine gewachsenen Muskeln. Sie räumt auf.

Willkommen in der Hölle des 20. Jahrhunderts. Alles ist perfekt, die Rosen blühen, die Hauswände strahlend weiß, der glückliche Wohlstand mit Händen greifbar. Aber unter der Oberfläche ist alles nichts. Die Welt der glücklich glucksenden Vorstadt ist eine Welt voller Lebenslügen. Das schmutzige Leben hinter der Fassade der Wohlanständigkeit hat schon Tennessee Williams in den 1950er Jahren aufgespießt, beispielhaft in Die Katze auf dem heißen Blechdach (1958). Lester befindet sich in der Midlife Crisis; der – laut eigenem Bekunden – Höhepunkt seines Tages findet beim morgendlichen Masturbieren in der Duschkabine statt. Das Leben mit seiner spießigen und überspannten Frau Carolyn und seiner pubertierenden Tochter Jane empfindet er als trostlos. Seine Frau müht sich ohne großen Erfolg als selbständige Immobilienmaklerin, trimmt aber die Rosen vor dem weißen Gartenzaun zur Perfektion. Auch seine triste Arbeit in einem Zeitschriftenverlag macht Lester nicht glücklich, von seiner Familie erfährt er weder Dankbarkeit noch Respekt für seine Arbeit oder für sich selbst als Mensch, sondern „das furchtbare Gefühl, bedeutungslos zu sein“. Die Burnhams sind das Porträt einer Familie, die vergessen hat, wie sie zueinander gefunden hat, was Lester und Carolyn mal so anziehend, so sexy aneinander fanden und wie daraus dann in einer Liebesnacht Jane entstanden ist. Heute schweigen oder motzen sie sich an.

Bei den neuen Nachbarn geht es nicht besser zu. Der Vater ein Ex-Marine, der seinem Sohn Zucht und Ordnung einprügelt, während der ungerührt jede Menge Gras auf dem Schulhof und in der Nachbarschaft verhökert, um mit dem Geld eines Tages von zuhause zu fliehen. Plakatmotiv (US): American Beauty Wenn Ricky kein Gras vertickt, filmt er mit der Videokamera sein Leben, dabei vor allem Jane, die Tochter von Nachbar Lester. Die Regale in Rockys Zimmer sind gefüllt mit sorgsam beschrifteten Videokassetten – Aufnahmen der Leben anderer. Ein eigenes Leben führt er nicht. Ebensowenig wie Jane, die atemlos den Geschichten ihrer besten Freundin, der blonden Sirene Angela über jeden ihrer Liebhaber lauscht, die froh ist, dass ihr die Kerle hinterher starren und sie ficken wollen. Das gebe ihr das Gefühl, sagt sie, dass sie etwas besonderes sei, sie es später einmal als Model schaffen könne. Alle leben ein Leben der Oberflächlichkeit, niemand eines mit dem jeweils anderen.

Lester, der zwischen respektloser Tochter und zynischer Ehefrau sich notgeil gerierender Bock? Zieht den Schwanz ein in dem Moment, in dem er dürfte, wovon er träumte. Denn eigentlich hätte er nur gerne seine tolle Frau und die süße Tochter von früher wieder, als die noch auf die inneren Werte des Papas und Gatten schauten. Janes blonde Freundin Angela spielt die 20-jährige Mena Suvari (American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen – 1999; Denn zum Küssen sind sie da – 1997), die mit ihren blauen Kugelaugen und den langen blonden Haaren bewundernswert leichtfüßig zwischen kleinem, ängstlichen Mädchen und der knallharten Schulhof-Sirene hin und her wechselt.

Die erste Kino-Regiearbeit des britischen Theaterregisseurs Sam Mendes ist bemerkenswert, weil dieser Erstling so routiniert daher kommt und gleich mal zentrale amerikanische Werte und Mythen wie die Männlichkeit, die Cheerleaderin als sexuelles Traumobjekt, der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, und das versprochene Paradies des suburbanen Lebens in Frage stellt. Der Moment, in dem Lester zum ersten Mal die blonde Angela sieht, bei einer Cheerleader-Performance in der schuleigenen Turnhalle, ist eine wunderbare Mixtur aus schwitziger Turnhallendarbietung vor stolzen Eltern und erotischem Traum eines alt geworden Jungen. Regisseur Mendes, der den Amerikanern hier den Spiegel ihres Lifestyles vorhält, wurde bei der Oscar-Gala am 26. März 2000 mit dem Oscar ausgezeichnet – einem von fünf bei insgesamt acht Nominierungen.

Für das filmische Handwerk stützt Mendes sich auf die Erfahrung des 72-jährigen Kameramannes Conrad L. Hall, Mendes selbst führte dann die Schauspieler als Ensemble wie im Theater, was lange Dialoge mit ihnen voraussetzte und im US-Kino ungewöhnlich ist. Halls Bildsprache legt es darauf an, Zweifel am Traum der unbegrenzten Möglichkeiten zu erwecken; Mendes und er ließen sich von Bildern Edward Hoppers von vereinsamten Menschen und dem freudlosen Stil von American Gothic mit düsteren und engen Innenräumen inspirieren.

Oscars gab es außerdem für Hauptdarsteller Kevin Spacey (Verhandlungssache – 1998; Mitternacht im Garten von Gut und Böse – 1997; L.A. Confidential – 1997; Die Jury – 1996; Sieben – 1995; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Die üblichen Verdächtigen – 1995; Glengarry Glen Ross – 1992; Die Glücksjäger – 1989; Die Waffen der Frauen – 1988; Sodbrennen – 1986), der seinen still vor sich hin leidenden Ehemann und Vater mit explosiver Kraft spielt, für das Drehbuch von Alan Ball und für die Kamera von Conrad Hall. Außerdem wurde "American Beatuy" als Bester Film ausgezeichnet. Nominiert waren Annette Bening als Nebendarstellerin (Jenseits der Träume – 1999; Ausnahmezustand – 1998; Mars Attacks! – 1996; Hallo, Mr. President – 1995; "Richard III" – 1995; Bugsy – 1991; "Grüße aus Hollywood" – 1991; In Sachen Henry – 1991; Schuldig bei Verdacht – 1991; Ferien zu dritt – 1988), der Filmschnitt sowie der Score von Thomas Newman.

So ganz traut Theatermann Mendes den Mitteln des reinen Kinos nicht. Er lässt, wie weiland Billy Wilder seinen Joe Gillis in Boulevard der Dämmerung (1950), Lester Burnham sein Drama aus dem Off erzählen und erklären, während er selber schon tot ist: „In weniger als einem Jahr bin ich tot. Natürlich weiß ich das jetzt noch nicht.“ Das gibt dem Drehbuch die Gelegenheit zu literarischen Seelenschau seiner Hauptfigur. Es können Gemütszustände und Ansichten ausgebreitet werden, die rein auf Schauspiel ausgerichtetes Kino nicht ausbreiten kann.

"American Beauty" ist eine Abrechnung mit den goldenen Fassaden des Gute-Leute-Lebens überall in der Welt mit scharfer Beobachtung und boshaften Spitzen, die sich aber nie von ihrem akademisch erdachten Überbau lösen können.

Wertung: 9 von 11 D-Mark
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