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Plakatmotiv: Der Mann, der zuviel wusste
Alfred Hitchcock zieht in ein Abenteuer
und macht ein Konzert zum Thriller
Titel Der Mann, der zuviel wusste
(The Man Who Knew Too Much)
Drehbuch John Michael Hayes
nach einer Geschichte von Charles Bennett und D. B. Wyndham-Lewis
Regie Alfred Hitchcock, USA 1956
Darsteller James Stewart, Doris Day, Brenda de Banzie, Bernard Miles, Ralph Truman, Daniel Gélin, Mogens Wieth, Alan Mowbray, Hillary Brooke, Christopher Olsen, Reggie Nalder, Richard Wattis, Noel Willman, Alix Talton, Yves Brainville u.a.
Genre Drama, Thriller
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
11. Oktober 1956
Inhalt

Der US-amerikanische Arzt Dr. Benjamin McKenna, seine Frau Josephine – eine ehemalige Sängerin – und ihr Sohn Hank machen Urlaub in Marokko. In einem Bus nach Marrakesch lernen sie den Franzosen Louis Bernard kennen, der ihnen für den weiteren Aufenthalt seine Gesellschaft anbietet.

Nach einer von Bernard kurzfristig abgesagten Verabredung zum Abendessen treffen sie ihn am nächsten Tag als Araber verkleidet auf dem Marktplatz wieder. Schwer verletzt mit einem Messer im Rücken nähert er sich McKenna und vertraut ihm Informationen über ein geplantes Attentat an: In London soll in den nächsten Tagen ein wichtiger Staatsmann getötet werden. Mit dem Namen Ambrose Chapell auf den Lippen stirbt er. McKenna notiert sich den genauen Wortlaut und den Namen Ambrose Chapell auf einem Zettel.

McKenna und seine Frau werden zu einem Verhör in das örtliche Polizeirevier gerufen. Noch unter Schock stehend, vertrauen sie ihren Sohn den Draytons an, einem Ehepaar aus England, das sie erst am Abend zuvor kennengelernt haben. Wie sich herausstellt, arbeitete Bernard als Agent für den französischen Geheimdienst. Während der Befragung wird McKenna ans Telefon gerufen. Ein unbekannter Anrufer droht, seinem Sohn Gewalt anzutun, sollte McKenna sein Wissen über das Attentat preisgeben.

Plakatmotiv: Der Mann, der zuviel wussteNach der Rückkehr ins Hotel sind Hank und die Draytons nicht mehr auffindbar. Verzweifelt entschließen sich die McKennas, nach London zu reisen, um auf eigene Faust nach ihrem Sohn zu suchen. Unmittelbar nach der Ankunft am Flughafen bietet ihnen Scotland Yard unter der Leitung von Inspektor Buchanan Hilfe an; aus Angst streiten sie den Zusammenhang zwischen Entführung und Attentat jedoch ab.

Zur selben Zeit instruiert Drayton einen Killer, den er in Marokko angeworben hat. Exakt mit einem Beckenschlag zum musikalischen Höhepunkt eines Konzerts in der Royal Albert Hall soll ein ausländischer Premierminister erschossen werden, der als Ehrengast der musikalischen Darbietung beiwohnen wird

Was zu sagen wäre

Sucht man ein Beispiel für einen typischen Hitchcockfilm, Voilá: „Der Maynn, der zu viel wusste“ – Durchschnittsbürger, die in tödliche Schwierigkeiten geraten, ein Mordkomplott, das höchst unwichtig ist und lediglich gebraucht wird, um eine Erpressung plausibel zu machen, die eine spannende Geschichte zulässt, ohne Schnickschnack, aber hocheffizient erzählt – da sitzt jede Kameraeinstellung – und: Der Film kommtz ohne plakativ inszenierte Duschszene oder speziell eingeschränkte Location (Fenster zum Hof, „Rettungsboot“) aus.

Irgendein hochrangiger Staatsmann soll also ermordet werden. Wer? Wieso? Unwichtig! Spielt für den Film keine Rolle. Ist ein McGuffin. Hitchcocks Film ist kein Attentats-Film, es ist ein Familien-Thriller um Mr. Jedermann. Als es dann auf den Höhepunkt zusteuert, den Showdown, variiert Hitchcock dieses Egal-worum-es-geht-Prinzip: James Stewart kommt in die Albert Hall, findet Doris Day, lässt sich auf Stand bringen, geht zur Loge des Staatsmanns, wird von Bobbys aufgehalten, erklärt … und das alles zeigt Hitchcock ohne Worte; wir hören die Musik, sonst nichts. Und mehr ist ja auch gar nicht nötig – was werden Stewart und Day schon sagen ..? Überhaupt: Seit das Konzert mit der Storm Clouds Cantata begonnen hat, hören wir nur noch die Musik – keine Atmo, keine Wortfetzen, nichts, sehen statt dessen eine packende Bildmontage Montage. Und einen Showdown, in dem Hitchcock sich selbst und seine 39 Stufen von 1935 zitiert.

Hitchcocks Komponist Bernard Herrmann tritt in diesem Film persönlich in Erscheinung. Sein Name wird auf den Plakaten an der Albert Hall genannt, und wenig später sieht man ihn während des Konzertes, in dessen Verlauf der Mord geschehen soll, am Dirigentenpult stehen. Er dirigiert hier die „Storm Clouds Cantata“ des australischen Komponisten Arthur Benjamin, die bereits in Hitchcocks Original von 1934 erklang.

Zeitdruck und etwas Pech beim Dreh zwangen Hitchcock zu einer Technik, die der vertiefenden Charakterisierung der Hauptfiguren half. Der Drehplan zwang Hitchcock den Film zu beginnen, obwohl dessen Drehbuch noch nicht fertig war. So wurden die Entwürfe von Hayes oft noch einen Abend vor dem Dreh von Hitchcock und Angus MacPhail umgeschrieben. Ein Teil der Dreharbeiten fand an Originalschauplätzen in Marrakesch statt. Aufgrund der Termin- und Drehbuchprobleme hinkten sie dem eigentlichen Drehplan jedoch stark hinterher, so dass viele Szenen im Studio vor Rückprojektionen nachgedreht werden mussten. Insgesamt überzog Hitchcock den Drehplan um 34 Drehtage. Jetzt spiegelt diese andauernde Rückpro-Technik im kulturell fremden Marrakesch mit ihren seltsam verzerrten Perspektiven die zunehmende Verwirrung/Bedrohung der Hauptfiguren „aus Indianapolis“.

In James Stewart (s.u.), mit dem er zum dritten Mal arbeitet, findet Alfred Hitchcock den perfekten Jedermann, den All American Guy in Reinkultur, den der Brite Hitchcock ausnutzt, ein wenig über den american way of travilling zu ätzen. Stewarts Ben McKenna ist einer, der glaubt, ihm als Amerikaner stünden alle Türen und Herzen offen, eine Art Simplizissimus, der jedem freimütig sofort sein halbes Leben ausbreitet – Beruf, Familie, woher, warum Geheimniss haben, ich bin Amerikaner for God's sake – dessen Aufprall in der realen Welt ihn und damit uns als Zuschauer um so heftiger trifft; wir drücken ihm die Daumen, weil er mit der Schlechtigkeit der Menschen in der Welt bislang so gar keine Erfahrung hatte. Zum Glück hat er eine resolute Gattin an seiner Seite, die, ganz klassisch, ihren Job zwar für die Familie drangegeben hat und in der spießigen Provinz bei ihrem Arzt Ben geblieben ist, als ehemals gefeierte Sängerin aber jene Weltgewandheit besitzt, die im aktuellen Fall besser hilft, als die Gewandheit eines Hausarztes; mehr als einmal hat sie die richtige Idee.

Doris Day gibt dieser Jo eine ausgewogene Mischung eben jener Weltgewandheit und der pragmatischen Liebe einer Mutter und Ehefrau eines etwas tollpatschigen, charmant unbedarften Provinzarztes. Das Studio wollte die Popularität Doris Days als Sängerin ausnutzen, und so wurde vertraglich festgelegt, dass sie in dem Film ein Lied singen musste. Sie sträubte sich erst, den eigens komponierten Song „Que Sera, Sera“ zu singen, da es sich „nur um ein Kinderlied“ handele. Dann gewann der Song einen Oscar und verschaffte Day den größten Erfolg ihrer Platten-Karriere.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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