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Kinoplakat: Ein unmoralisches Angebot

Eine kitzlige Frage.
Ein hohler Film.

Titel Ein unmoralisches Angebot
(Indecent Proposal)
Drehbuch Amy Holden Jones
nach einem Roman von Jack Engelhard
Regie Adrian Lyne, USA 1993
Darsteller

Robert Redford, Demi Moore, Woody Harrelson, Seymour Cassel, Oliver Platt, Billy Bob Thornton, Rip Taylor, Billy Connolly, Joel Brooks, Pierre Epstein, Danny Zorn, Kevin West, Pamela Holt, Tommy Bush, Mariclare Costello u.a.

Genre Drama, Romantik
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
20. Mai 1993
Inhalt

Der Architekt David Murphy und seine Frau Diana, eine Immobilienmaklerin, sind durch die Rezession in finanzielle Schwierigkeiten gekommen. Sie versuchen in Las Vegas vergeblich, durch Glücksspiel zu Geld zu kommen, um den Bau ihres Traumhauses fertigzustellen. Der Milliardär John Gage, der ihnen beim Spiel zuschaut, bietet ihnen für eine Nacht mit Diana eine Million US-Dollar. Sie unterzeichnen einen Vertrag, Gage und Diana fliegen mit einem Hubschrauber zu seiner Jacht. Als David den Deal bereut und zum Hubschrauberlandeplatz eilt, hat der Helikopter bereits abgehoben.

David und Diana bekommen zwar das Geld. Da sie ihren Banktermin jedoch knapp verpasst haben, hat Gage inzwischen Haus und Grundstück gekauft. Die Ehe der beiden geht bald durch wachsendes Misstrauen, Streitereien und vor allem durch Murphys Eifersuchtsattacken zu Bruch. Gage, der sich in Diana verliebt hat, versucht immer wieder, sie für sich zu gewinnen …

Was zu sagen wäre

Ein bösartiger Film. Nicht weil er zynisch wäre – das ist er nicht, er ist zutiefst moralisch – sondern weil er mit den Sehnsüchtien seiner Zuschauer Samba tanzt – „Wie weit würde ich gehen?“ – und beinhart mit dem Auge seines männlichen Publikums spielt. Demi Moore sieht hinreißend aus und Robert Redford hat die richtigen, wenn auch unmoralischen, also chauvinistischen Argumente.

Da ist ein sympathisches Paar, das Geld braucht; ein Paar, das sich aufrichtig und innig liebt, was bei Adrian Lyne („Jacob's Ladder“ – 1990; Eine verhängnisvolle Affäre – 1987; 9 1/2 Wochen – 1986; Flashdance – 1983) immer bedeutet, dass das Paar Sex in der Küche hat – bei dem im vorliegenden Fall sogar eine Unterhose Feuer fängt, während Sade schmerzhaften Soul aus den Boxen haucht. Dieses sympathische Paar gerät unschuldig in Not und braucht Geld. Und dann bekommt es dieses Angebot, das schon der Filmtitel „unmoralisch“ nennt.

Nun darf in einem Film aus der massenkompatiblen Filmschmiede Hollywood ein Mann nicht seine Frau prostituieren, er muss für beider fehlerloses Leben einstehen. Sie, die (Hollywood)Frau hingegen darf wollen, darf Sex ganz berechnend einsetzen – das Prinzip kennen die Bosse in den oberen Etagen der Filmstudios auch als Besetzungscouch. Deswegen also muss sie, die Eva, die Frucht vom Baum der Erkenntnis rupfen, die Million aus der Brieftasche des Möglichmachers. Der Gatte darf unschuldig bleiben und trotzdem Nutznießer der Frucht. Und so werden sie aus dem Paradies der ehrlichen Liebe vertrieben – aber es bleibt ein Satz aus den ersten Filmminuten: „Du musst das, was Du am meisten liebst, gehen lassen. Wenn es zu Dir zurückkommt, ist es Deins. Wenn nicht, ist es nie Deins gewesen.“

Das Drehbuch ist platt, die Handlungsschritte erahnbar. Sie reisen mit Geldproblemen nach Las Vegas, gewinnen dort 25.000 Dollar – die Hälfte der Summe, die sie brauchen – und anstatt heimzufahren und das Geld für die Ratenzahlung anzulegen, spielen sie weiter und verlieren alles. Das muss für den Film so sein. Aber David und Diana sind gar nicht als risikofrohe Spieler eingeführt. Wir lernen sie kennen als ein pragmatisches Paar voller Hoffnung (und verliebten Schnurren), das in den Strudel der Wirtschaftskrise gerät; nicht als Gambler. Das Paar und seine Unvernunft sind konstruiert, um zum Thema des Films zu kommen. In diesem Kunstgriff ist Adrian Lyne nicht der erste, aber derjenige, der mit dem hohen moralischen Anspruch, den er via Filmtitel seinem Publikum aufbürdet, darin scheitert: Ich glaube die Figuren einfach nicht, sie bewegen sich wie in einem Drehbuchseminar für Anfänger.

Dennoch ist dieses unmoralische Angebot für den Moment des Sehens ein – in seinem Zeitgeist – packender Film, weil er genau das bietet – eine Un-, eine gefährliche Moral, über die sich beim Bier danach trefflich streiten lässt. „So eine Nacht geht schnell vorbei“, sagt der Milliardär. „Das Geld reicht für ein ganzes Leben.“ Es ist ein faustischer Pakt in moderner Hochglanzverpackung.

Lynes Kameramann Howard Atherton (Meerjungfrauen küssen besser – 1990; Eine verhängnisvolle Affäre – 1987) fotografiert die Society-Sause wie David Hamilton auf Speed. Nicht mit gar so viel Weichzeichner auf der Linse, aber in Pastelltönen, mit weichem Licht in der Romantik, mit harten Konturen in warmen Farben beim Luxus und in kalten Farben beim Plebs. Während dann der Milliardär und sein Erwerb in einen romantischen Sonnenuntergang auf seine Yacht fliegen, sitzen im Vegas-Casino Menschen wie Lemminge an Spieltischen vor kaltblauen Monitoren in Wettbüros, wo sie auf jenes „große Glück“ setzen.

Die Schauspieler sind gut gewählt. Woody Harrelson („Weiße Jungs bringen's nicht“ – 1992; Doc Hollywood – 1991; L.A. Story – 1991) gibt einen süßen Normalo, der aus dem Gleichgewicht gerät und in einer szene als Architektur-Dozent ein Backstein-Gleichnis präsentiert: „Ein Backstein will mehr sein, als er ist.“ Dazu sehen wir sehen Dias vom Chrysler-Building, der Scala – während seine Diana auf einem nichtssagenden Charity-Event grinst. Demi Moore (Eine Frage der Ehre – 1992; „Tödliche Gedanken“ – 1991; „Ghost – Nachricht von Sam“ – 1990; „Das siebte Zeichen“ – 1988; Nochmal so wie letzte Nacht – 1986; St. Elmo's Fire – 1985) spielt diese Diana mit vollem Körpereinsatz – bezaubernd. Pragmatisch. Selbstbewusst.

Warum genau Robert Redford den Part des Milliardärs übernommen hat, der am Ende – „Ich habe erkannt …“ – Verzicht übt, bleibt offen. Profilieren kann er sich hier nicht. In seiner ersten Szene schon zeigt er dieses Robert-Redford-Lächeln. Das beherrscht und setzt er ein seit 25 Jahren (s.u.), das hat ihm immer geholfen, jede Frau in die Arme getrieben. Aber mit mittlerweite Mitte 50 weiß eben auch er, dass er die attraktiven jungen Frauen heute nicht mehr einfach mit seinem Lächeln verzaubert – „Menschen kaufe ich täglich!“. Will er heute das Mädchen, braucht er neben seinem Lächeln, das den Kalten Krieg beenden kann, Geld. Viel Geld. Vielleicht hat Redford dieser moralisch fragwürdige Aspekt an der Rolle gereizt.

Es gibt dann eine heimelige Replik an alte Jenseits-von-Afrika-Zeiten, als er Woody Harrelson fragt „Würden Sie mir eventuell Ihre Frau leihen? Als Glücksbringer?“ und der antwortet „Das müssen Sie sie selbst fragen.“ 1985 hielt ihm der gehörnte Klaus-Maria Brandauer in Afrika vor „Du hättest fragen können, Denys.“ Und Denys (Redford) antwortete: „Ich habe gefragt. Sie hat Ja gesagt!“

Schließlich fasst Redfords Milliardär in diesem „Unmoralischen Angebot“ das Wesen der Hollywood-Liebe zusammen: „Sie würde mich nie so ansehen wie ihn. Nie im Leben.“ Darum geht es im Kino. Um diesen Nie-im-Leben-Moment. Und dann kommt sie zu Dir zurück.

Wertung: 3 von 10 D-Mark
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